Name:
Kennwort:
Tschechien


„Ich will nicht zurück. Zu Hause erwarten mich Zwänge und Pflichten. Auf dieser Fahrt spüre ich zum ersten Mal ein vages Gefühl von Freiheit und Gemeinschaft.“ vertraute mir ein Junge an einem der letzten Abende der 10-tätigen Studienfahrt an.
Was furchtbar pathetisch und naiv klingt, hat sich uns also während der Tschechien Fahrt offenbart: Der Traum des Menschen von einer ihn behütenden Gemeinschaft, mehr oder minder ohne Hierarchie, in der sich jeder für seinen Nächsten einsetzt, ohne nach einer persönlichen Belohnung für die Wohltat zu geiern.
Dies klingt nach Utopie, und tatsächlich bedurfte es eines psychologisch geschickt gewählten Hilfsmittels (die jeden Abend mit Spannung erwartete Kür zum „Mensch des Tages“), um unser tief schlummerndes Verantwortungsgefühl zu wecken. So staunte man zuweilen über die offenbar vollkommen natürliche, uneigennützige Hilfsbereitschaft einiger Gefährten und wunderte sich so manches mal, ob jene schon immer so munter angepackt hätten.
Obwohl der Titel „Mensch des Tages“ einen egoistisch vergiftenden Einfluss auf das Engagement manches Einzelnen der Gruppe hatte, würde ich dafür plädieren, dass auch die K-H-S ihre ohnehin zweifellos exzellente pädagogische Strategie weiterentwickelt, indem sie jenen Titel für die Klassen einführt. Geheuchelte Hilfsbereitschaft ist immerhin besser als gar keine!
So paradox es jetzt klingen mag, das Schöne an unserer Studienfahrt war auch gerade, dass man sein dominantes Ego und den eigenen Status vergaß, sich einem gemeinsamen Ziele fügte und persönliche Interessen bedingungslos unterordnete. Die Aufgaben und Ansprüche der drei Gruppenleiter Schema, Jana und Michal waren ziemlich knakkig, forderten das Äußerste von der Gruppe und boten jedem Einzelnen, seine eigenen physischen Grenzen zu erforschen.
Klettern und „Bouldern“ (seitliches Klettern auf ca. 1m Höhe) fand immer zu zweit statt, einer klettert während der andere sichert. Das Angewiesensein auf den dich sichernden Partners schuf bei den herausfordernd steilen Wänden eine beruhigende Vertrauensbasis.
Um das im wahrsten Sinne des Wortes blinde Vertauen zu seinem Partner ging es auch bei einem ungewöhnlichen Spaziergang durch unwegsames Waldgelände. Dem einen wurden die Augen verbunden, sodass er sich nur mit Klatschgeräuschen oder Berührungen seines Lotsen den Weg durch das struppige Gebüsch erkämpfen konnte. Sehr viel Geduld und Leidensbereitschaft erforderte die Kanufahrt über den halb vertrockneten Sazava, ständig musste das nervig dicke Raft über die Steine geschliffen werden. Dafür wurden wir abends mit Lagerfeuerromantik und Rohfleisch belohnt, um welches wir uns ausgehungert wie die Hunde prügelten. Genauso animalisch war die Rückkehr zu den Wurzeln der Menschheit beim befreienden Stuhlgang im Wald, nachts mit Taschenlampe über einem selbst gebuddelten Loch kauernd.
Die letzten beiden Tage in Prag verliefen sicher ähnlich wie die anderen Städtestudienfahrten: gemütliches Umherbummeln in der Stadt, in Grüppchen, jeder für sich, nach Geschenken für zu Hause oder für sich selbst trachtend. Der adrenalinfördernde Geruch nach Schweiß, auf der Kletterwand kurz vor dem Abkratzen vom Körper hektisch hinausgepresst, beim Hinaufquälen auf einen scheinbar kilometerlangen, mörderisch steilen Berg literweise vergossen, war von der warmen Dusche weggespült, die lädierten Hände verheilt. Wir waren bereit für zu Hause!